Bell pendelt zwischen Erstligaglanz und Eifelidyll


Fußball Bundesligaprofi bleibt seinem Heimatverein FV Wehr verbunden

RZ Andernach & Mayen vom Samstag, 1. Juli 2017


Die Freuden und Erfolge als Bundesligaprofi haben Stefan Bell seine Heimat nie vergessen lassen. Der 26-Jährige kommt regelmäßig zurück zu seiner Familie und dem FV Wehr, wo er bis zu seinem 15 Jahr spielte und für den er sich immer noch engagiert.
Foto: dpa


Wehr. Stefan Bell ist einer der stärksten deutschen Innenverteidiger. Beim FSV Mainz 05 zählt er zum engen Kreis der Führungsspieler. Seit mehr als zwei Jahren unterstützt er auch den Deutschen Fußball-Bund (DFB). Der 26-Jährige ist eines der Gesichter der DFB-Amateurfußballkampagne und ein Botschafter des Ehrenamtes.

Raus aus dem Training, rein in den Stau. Bell kennt das, mehrmals im Monat macht er sich wie auch an diesem Abend auf den Weg, von Mainz ins kleine Eifeldorf Wehr. 122 Kilometer, eine Perlenkette aus Baustellen. Weite, beschwerliche Wege sind ihm vertraut. Schritt für Schritt, hat sich der 26 Jahre alte Innenverteidiger in der Bundesliga etabliert. Sein Vertrag beim FSV Mainz 05 läuft noch bis in den Sommer 2020.

Erst mit 15 Jahren gewechselt

Erst mit 15 Jahren verließ Bell den Kreisligaklub, bei dem er mit fünf Jahren angefangen hatte, und kämpfte sich anschließend dennoch bis ganz nach oben, bis in die allerhöchste Leistungsklasse. Die meisten Profis wechseln viel früher zu einem großen Verein. "Ich sehe keinen Vorteil darin, schon mit zehn Jahren in ein Nachwuchs-Leistungszentrum zu wechseln", sagt er heute noch. Wer früh ankommt, wird oft auch früh wieder aussortiert - so sieht er das.

Weite Wege macht er heute zu seinem Heimatverein FV Wehr - eine Fußballidylle in der Eifel, das Gelände an der Waldgrenze gelegen, 230 Mitglieder und aktuell zu Hause in der Kreisliga A. Irgendwann kam ihm die Idee, den Weg zum Vereinsheim zu pflastern. "Erst müssen die finanziellen Mittel da sein, dann braucht man Leute, die helfen", erzählt er. Beides war schnell organisiert, berichtet Wehrs Geschäftsführer Hardy Scharrenbach: "Wenn Stefan fragt, sagt keiner Nein." Sein Vater Norbert half, am heissesten Tag des Sommers pflasterte und plättete Stefan Bell die 110 Quadratmeter bis zum Vereinsheim selbst.

Bells Handanlegen für seinen kleinen Heimatverein ist eine ungewöhnliche Geschichte. Er jätet Unkraut, verlegt Pflastersteine, ist Vorstandsmitglied, und immer wieder quält er sich über die A 61, alles um seinen Amateurverein voranzubringen. Mehrmals im Monat begibt er sich auf diese Fahrt. Vom Glamour und Glitter zurück auf die Asche.

Er selbst sieht es nüchtern: "Wenn ich doch helfen kann." Von einem "Stück Normalität" und auch von "Dankbarkeit für das, was ich vom Fußball in jungen Jahren mitbekommen habe" spricht er und erklärt, daß sein Engagement ihm schliesslich auch selbst guttue. Er schätzt die Abwechslung, die sporadische Rückkehr in eine einfachere Welt. "Ich bin hier aufgewachsen und kenne hier alles. Bundesligafußball ist doch eher ein Geschäft mit vielen Randaspekten. Die Werbung, die Medien. An den Leistungen unseres Bundesligateams hängen Arbeitsplätze, daran hängen Millionen. Hier in Wehr geht es um Freundschaft, um ehrenamtliche Hilfe. Der Kontrast ist schon sehr groß", so Bell. Der Kreisligaklub FV "Vilja" Wehr, der 1925 gegründet wurde, und dessen Name der Legende nach an eine schöne Romafrau erinnert, die den jungen Männern im Dorf damals den Kopf verdreht habe, ist heute und schon lange ein Familienunternehmen. Die Bells sind die gute Seele des Vereins.

Stefan Bells zwei Jahre jüngerer Bruder Michael spielt bei den ersten Herren, seine Mutter Marita putzt das Vereinsheim und leitet mit seiner Schwester Susanne den Verkauf, Vater Norbert verrichtet anstehende Reparaturen. Großvater Alfons war in den 70er-Jahren mal Vorsitzender.

Ein starkes Elternhaus

Wahrscheinlich dachten viele, daß der Bundesligaprofi Stefan Bell dem FV "Vilja" Wehr schnellstmöglich den Rücken kehren würde. Marita Bell wusste es besser: "Das habe ich schon erwartet, daß er hier bei uns weiter mithilft." Ahnung vom Fußball? Da lacht sie. Aber wenn Mutter Bell rückblickend klug analysiert, wie wichtig der Wechsel ihres Sohnes zu den Regionalliga-Junioren der TuS Mayen war ("Mehr Biss im Training, ganz anderer Ehrgeiz der Jungs"), wird klar: Hinter jedem Bundesligaprofi steckt ein starkes Elternhaus. Vater Bell erzählt, wie er beim Bau der Garage eine Dämmschicht einbaute, damit der Junior stundenlang den Ball gegen die Wand ballern konnte. "Stefan wollte immer Fußball spielen. Ich musste die Nachbarn schützen."

Heute ist Bell ein Idol. Wenn er zweimal pro Jahr das Jugendtraining leitet, gibt es unter der Woche in Wehrs Schule kein anderes Thema, dann stehen an die 100 Kinder Schlange. Bis nach Köln mögen es nur 80 Kilometer sein, doch Wehrs Jungen und Mädchen sind heute mehrheitlich Mainz-Fans. Zweimal lud er die Jugendabteilung zur Bundesliga ein und bezahlte selbst die Eintrittskarten.

Die drei dünnen Lichtmasten, die der kleine Verein vor langer Zeit auf einer Seite des Aschenplatzes errichtet hatte, reichten nie aus. Im Winter war's auf einer Platzhälfte schummrig, auf der anderen immerhin nicht stockdunkel. Dank Bell strahlen nun beide Platzhälften hell, das Geld stammte aus DFB-Zahlungen für seine Einsätze bei den U 19-Junioren.

"Unsere Amateure. Echte Profis" - so lautet der Slogan der DFB-Amateurfußballkampagne, die Bewustsein für die wertvolle ehrenamtliche Arbeit in den Fußballvereinen schaffen soll. Als man ihn fragte, ob er eines der Gesichter hierzu werden wolle, sagte Bell sofort zu.

"Ohne geht es nicht", sagt er: "Das Ehrenamt ist die Basis für den Fußball in Deutschland. Den Sport hält man nicht am Leben mit Leistungszentren und Stützpunkten. Die Basis wird immer der kleine Verein bleiben. Von den sieben Millionen DFB-Mitgliedern sind doch 6,5 Millionen in einem kleinen Verein aktiv."

Jetzt träumt man in Wehr von einem Kunstrasen. Doch der kostet rund 400 000 Euro, eine Menge Geld. Selbst ein sogenannter Hybridplatz würde 75 000 Euro kosten. Gerade bei der Jugendarbeit wird der Aschenplatz immer mehr zum Standortnachteil. Trotz der für den kleinen FV Wehr astronomischen Summen, ist Stefan Bell zuversichtlich: "Wir werden die nächsten Jahre auf jeden Fall etwas auf die Beine stellen. Auch wenn es ein weiter Weg sein wird." Aber die weiten Wege kann er ja.

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